Donnerstag, 12. April 2012

Erklärung zum 66. Treffen des Zentralkomitees von Doro-Chiba

Das Zentralkomitee von Doro Chiba hat auf seinem 66. Treffen im Doro-Chiba Gewerkschaftshaus die folgenden Richtlinien für eine neue Offensive beschlossen: Wir kämpfen gegen das komplette Outsourcing von Inspektion und Reparatur sowie von Wartungsarbeiten; gegen Zusammen- und Stilllegung von Betriebshöfen; gegen Verschlechterung des Personal- und Lohnsystems. Wir kämpfen für eine erfolgreiche Frühjahrsarbeitsoffensive 2012, für Entwicklung der japanweiten Bewegung zur Unterstützung der kämpfenden Staatsbahnarbeiter und für  Wachstum unserer Gewerkschaft.

Am 23. Januar 2012 wurde das Urteil des Oberlandesgerichts im Fall um die Diskriminierung bei der Einstellung von auszubildenden Fahrern vom Obersten Gerichtshof Japans aufgehoben. Wir verurteilen diese reaktionäre Entscheidung aufs Schärfste.
Dieselbe Richterin des Obersten Gerichtshofs, die vorher in einem ähnlichen Fall der Eisenbahngewerkschaft Doro-Mito (eine Schwestergewerkschaft von Doro-Chiba) entschieden hatte, dass JR East (Japanische Bahn Ost) unbillige Arbeitspraktiken eingesetzt hatte, lehnte nun die Klage von Doro Chiba gegen unbillige Arbeitspraktiken ab. Was soll diese widersprüchliche Rechtsprechung? Dies zeigt unverhohlen die Politik des Obersten Gerichtshofs: "Wir machen einen juristischen Sieg für Doro-Chiba unmöglich." Diese Geste der Selbstverleugnung des juristischen Systems ist unverzeihlich, war aber für uns vorherzusehen. Durch so etwas läßt sich Doro-Chiba nicht beeindrucken. Wir sind fest entschlossen, den Kampf gegen die Aufteilung und Privatisierung der Japanischen Staatsbahn (JSB) mit allen geeigneten Mitteln fortzusetzen und zum Erfolg zu führen. 

Am 27. Januar 2012 erzwangen die JR Chiba Zweigstelle und Chiba Railway Service das Outsourcing von Wartungsarbeiten im Keiyo Betriebshof. Der betreffende Auftrag an den Subunternehmer (Chiba Railway Service) umfasste zwar zunächst nur eine achtstündige Schicht für einen Arbeiter. Man muss jedoch davon ausgehen, dass dies den ersten Schritt in Richtung eines kompletten Outsourcings in nächster Zukunft bedeutet.Der für diese Schicht vom Subunternehmer eingesetzte Fahrer verursachte durch seine Unerfahrenheit einen schweren Unfall, was die Zuggesellschaften versuchten zu vertuschen, aber vergeblich. Das ist ein drastisches Beispiel der Praxis des Outsourcings, was in Wirklichkeit nichts anderes ist als illegale getarnte Vertragsarbeit. Obwohl sich die Manager der Bahngesellschaften über diese Gesetzwidrigkeit vollkommen im Klaren sind, versuchen sie weiter, diese Praxis durchzudrücken. Doch die zahlreichen Ungereimtheiten sind ihre Schwachpunkte, die ihnen zum Verhängnis werden. Zehn Jahre Arbeitskampf haben uns gezeigt, wie wir uns der Outsourcingstrategie entgegenstellen und erfolgreich dagegen vorgehen können.

Der Plan der Zusammen- und Stilllegung von Betriebshöfen steckt schon jetzt in einer tiefen Krise. Gegenwärtig befinden sich die Abteilung der Zugführer Chiba und der Regionalverband Choshi von Doro-Chiba in einem Dauerstreik gegen Trainingsfahrten*. Durch diese Aktion wurde erreicht, dass der neue Sakura Betriebshof, welcher einen Teil der Umstrukturierungsstrategie ab März darstellt, nicht wie geplant eröffnet werden konnte. Dieser Erfolg ist ein bisher nie dagewesener Präzedenzfall, der deutlich zeigt, dass es sich lohnt den Kampf gegen alle Angriffsversuche auf unsere Gewerkschaft sowie gegen Bestrebungen von Stilllegung lokaler Zuglinien weiterzuführen.
* Trainingsfahrten für JR-Soren**-Mitglieder durch erfahrene Zugführer von Doro-Chiba. Nach Einarbeitung der neuen Zugführer will die JR-Ost-Zugbetreibergesellschaft die Doro-Chiba Zugführer in den neuen, weit entfernten Sakura Betriebshof versetzen, um die Gewerkschaft zu schwächen.
** JR-Soren (Japan Confederation of Railway Workers’ Unions) ist die von der reaktionären Kakumaru-Gruppe geführte Mehrheitsgewerkschaft im JR-System. Infos über die Kakumaru-Gruppe auf folgender Website: http://www.sozonline.de/2012/02/eine-kurze-geschichte-von-doro-chiba/

Mit der “politischen Lösung“ vom 9. April 2010 begann eine aggressive Neustrukturierung der privatisierten JR-Eisenbahn: Massenentlassungen von Vertragsarbeitern; eine aggressive Ausweitung des Outsourcings, insbesondere von Bahnhofs-Dienstleistungen; Verschlechterung des Personal- und Lohnsystems; erneuter Verrat durch JR-Soren Ost; Verschärfung der Krise der 4 JR-Zugbetreibergesellschaften (JR-Güter, JR-Hokkaido, JR-Kyushu und JR-Shikoku); weitere Degeneration der Kokuro*-Führung; Zusammenbruch der Kollaboration zwischen dem JR-Management und der Kakumaru-Gruppe; Gefährdung der Bahnsicherheit usw.
Diese Politik ist der schamlose Versuch des JR-Managements, die Aufteilung und Privatisierung der JSB zu rechtfertigen und die daraus entstandenen zahllosen Probleme auf die Bahn-Angestellten vor Ort abzuwälzen.
* Kokuro (National Railway Workers’ Union) ist die von den Sozialdemokraten und Kommunisten geführte Minderheitsgewerkschaft im JR-System. Kokuro war vor der Aufteilung und Privatisierung der JSB die Mehrheitsgewerkschaft.

Mit der Aufteilung und Privatisierung der JSB begann eine gesamtwirtschaftliche neoliberale Offensive. Sie muss mit allen Mitteln gestoppt werden. Als Ergebnis dieser Offensive wurden 39% aller japanischen Arbeiter (20 Millionen Menschen) in Zeitarbeit und teilweise bis an die Armutsgrenze gedrängt, die Zahl der Sozialhilfeempfänger übersteigt 2 Millionen.
Zurücknahme der Entlassung der 1047 Staatsbahnarbeiter!
Stopp des kompletten Outsourcings von JR!
Abschaffung von Leiharbeit!
Für eine erfolgreiche Entwicklung der japanweiten Bewegung zur Unterstützung der kämpfenden Staatsbahnarbeiter!

Die Regierung von Premierminister Noda erklärte Ende letzten Jahres die nukleare Krise für beendet. Soll das ein Scherz sein? Das Gegenteil ist der Fall. Für mehr als hunderttausende Opfer gibt es immer noch keine richtigen Wohnungen und die nukleare Verseuchung breitet sich noch immer aus. In ganz Japan wächst die Wut und ist kurz davor zu explodieren. Ohne Rücksicht auf Verluste versucht die Nuklear-Mafia bestehend aus Regierung, Bürokraten, Kapitalisten, bestochenen Akademikern, Massenmedien und korrupten Gewerkschaftsbossen, ihre AKW-Politik fortzusetzen.

Im Namen des „Wiederaufbau“ (der großen Katastrophe vom 11. März) wollen Regierung und Kapitalisten mit ihrer neoliberalistischen Aggresionspolitik selbst die letzten Winkel der Gesellschaft durchdringen, mit dem Ziel, die Tohoku-Region (das Katastrophengebiet) und den gesamten japanischen Staat komplett zu privatisieren.
Massive Steuererhöhungen sind in Planung. Der geplante Beitritt zum Trans-Pazific Partnership (TPP, Freihandelszone ohne Ausnahmen) wird die Landwirtschaft zerstören und öffentliche Dienstleistungen in den Strudel eines erbitterten Konkurrenzkampfs stürzen. Ein prominenter Vertreter dieser ultrareaktionären Politik ist beispielweise der Bürgermeister von Osaka, Toru Hashimoto.
Es ist höchste Zeit, die kämpfenden Gewerkschaften wiederzubeleben.

Seit dem Paribas-Schock von 2007 und dem Lehman-Schock von 2008 befindet sich die Welt in einer globalen Wirtschaftskrise. Weltweit gibt es mehr als 200 Millionen Arbeitslose, Tendenz steigend. In Europa nimmt die Krise bisher ungekannte Ausmaße an, Länder wie Griechenland, Irland, Portugal, Spanien und Italien stehen vor der Staatspleite. Die Länder mit den größten Staatsschulden sind jedoch Japan und die USA. Auch das Wirtschaftswachstum von China kommt allmählich zum erliegen. Der historische Untergang des kapitalistischen Systems hat begonnen.
Sehr besorgniserregend in diesem Zusammenhang ist die militärische Aufrüstung in Ostasien, die ohne weiteres in einen Krieg münden könnte.

Doch noch ist nichts verloren. Arbeiter auf der ganzen Welt haben den Ernst der Lage begriffen, und setzen sich entschlossen gegen Neoliberalismus zur Wehr. Sie verleihen ihrer Wut Ausdruck durch Generalstreiks, die Occupy-Bewegung, Aufstände, und die Revolutionen in Tunesien und Ägypten.

Lasst uns in Solidarität mit den Arbeitern aller Länder für die Zukunft der Arbeiter kämpfen!
Für eine erfolgreiche Entwicklung der japanweiten Bewegung zur Unterstützung der kämpfenden Staatsbahnarbeiter!
Gegen zerstörerische Outsourcing-Politik!
Lasst uns mit vereinten Kräften die Frühjahrsarbeitsoffensive 2012 zum Erfolg führen!
Für eine Gesellschaft, in der die Arbeiter die Meister der Gesellschaft sind!
Die japanische Arbeiterbewegung hat bisher die negative Tradition, sich im Arbeitskampf aufzuspalten. Wir werden und wollen diese große Schwäche definitiv überwinden und die klassenorientierte Gewerkschaftsbewegung wiederaufbauen.
Der Schlüssel zu unserem Erfolg liegt vor allem im kräftigen Wachstum unserer Gewerkschaft. Dafür werden wir uns mit unserer ganzen Kraft einsetzen.

Diese Erklärung wurde anläßlich des 66. Treffens des Zentralkomitees von Doro-Chiba verfasst.

Chiba, 26. Februar 2012

Danketsu Blog

Internationale Kurznachrichten zu Arbeits- und Arbeiterkämpfen. Inspiriert von der japanischen Eisenbahnergewerkschaft Doro-Chiba

Danketsu

Das japanische Wort "Danketsu" bedeutet wörterbuchmässig übersetzt "Solidarität". Wie aber so oft hat das japanische Wort in der japanischen Sprache selbst eine noch viel komplexere Bedeutung, etwa im Sinne des Wahlspruchs der 3 Musketiere aus Alexander Dumas Roman: "Einer für alle! Alle für einen!"

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Klassenorientierte Arbeiterbewegung

Die Schaffung und Verbreiterung einer internationalen klassenorientierten Arbeiterbewegung ist ein Ziel der kämpferischen Eisenbahnergewerkschaft Doro-Chiba in Japan. Dies bedeutet unter anderem: (1) Arbeits- und Arbeiterkämpfe dürfen niemals sektoriell, kulturell, ethnisch oder national isoliert und eingegrenzt bleiben. Über alle diese (letztlich künstlichen) Grenzen hinweg muss Solidarität (Danketsu) praktiziert werden. (2) die Gesamt - Interessen aller Menschen, die nur Besitzer blosser Arbeitskraft als Produktionsfaktor sind (60-80% der Bevölkerung etwa in Ländern wie Deutschland oder Japan), also wissenschaftlich formuliert der Klasse des Proletariats, müssen stets im Vordergrund sein. (3) Es ist von einer Unversöhnlichkeit der Interessen von Kapital und Arbeit auszugehen. (4) Es gilt die unmittelbare und direkte Solidarität (Danketsu) zwischen den zahllosen Segmenten dieser Klasse weltweit ständig zu erzeugen und zu verbreitern.

Berliner Solidaritätskomitee mit den Werktätigen in Japan

Am 11.10.2011 riefen 4 Gründungsmitglieder das Berliner Solidaritätskomitee mit den Werktätigen in Japan ins Leben. Ziel des Komitees ist die Schaffung zahlreicher Kontakte zwischen deutschen und japanischen gewerkschaftlichen Aktivisten (wobei gewerkschaftliche Aktivisten keineswegs etwa auf formale Mitglieder von Teilorganisationen etwa des DGB begrenzt ist). Dieser Blog hier (Danketsu-Blog) ist allerdings nicht nur einseitig auf deutsch-japanische Arbeitersolidarität ausgerichtet, sondern nahm von Anfang an auch Kurzmeldungen über Arbeitskämpfe aus anderen Teilen der Welt auf. Damit realisieren wir auch auf beste Weise, was ein zentrales Anliegen der japanischen Doro-Chiba ist: Schaffung einer weltweit miteinander vielfältig vernetzten klassenorientierten Arbeiterbewegung; Danketsu erzeugen und immer weiter verbreitern.

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