Rationalisierung – den Begriff kennt man in der Automobilbranche schon lange. Die ganzen 90er Jahre über wurden die Taktzeiten der Fließbänder immer stärker reduziert. Das heißt Arbeiten im Zeitraffer, wie wenn man einen Film vorspult. Fortschreitende Automatisierung durch Roboter in Rohbau und Lakierung taten ihr übriges. Man denkt schon jetzt, es muss doch mal ein Ende haben, mehr geht nicht. Nun hat die Bremer Mercedes-Benz Werkleitung jedoch mit “HPV 30″ vor einigen Wochen ein neues Programm auf den Weg gebracht: die Fertigungsstunden pro Auto (“hours per vehicle”) sollen von bisher 42,9 Stunden in den nächsten 5 Jahren auf 30 Stunden gesenkt werden.
Die ersten Schritte zur Umsetzung sind in einem Flugblatt von kritischen Bremer Betriebsräten und Vertrauensleuten gut dokumentiert. In Kurzform: Arbeiten werden zusammengelegt um Stellen zu streichen, die Bänder werden schneller gestellt, Pausen werden gestrichen und ganz neu: in dem Neubau der Rohbau Halle 70 übernimmt ein neuer Typ Roboter Einlegearbeiten, die bisher woanders von Menschen verrichtet wurden.
Der Hintergrund davon…
ist sicherlich das neue Zauberwort für Wachstum “Exportboom”. Wie vom Daimler Vorstand bis zur lokalen Presse (Weser Kurier, Radio Bremen & co) heruntergeleiert wird, hat Daimler angeblich mit Südamerika, Asien und darunter vor allem China einen unendlichen Absatzmarkt für Mercedes-Benz Autos gefunden.
Dafür muss sich das Bremer Werk natürlich rüsten. Das Bremer Werk wird das zukünftige “Kompetenzzentrum C-Klasse”. Das heißt, dass alle neuen zukünftigen C-Klasse Modelle in Bremen anlaufen und dann überall in der Welt weitergebaut werden. Das wird uns als “Standortsicherung” und “Jobgarantie” verkauft. Außerdem werden 1 Milliarde Euros in die Erweiterung einer Rohbau Halle gesteckt.
Was aber heißt das genau?
Die Autos sollen nach Planung des Daimler Vorstands dort gebaut werden wo sie gebraucht werden. Das ist nicht mehr in Europa. Der europäische Automarkt ist nicht erst seit der Krise 2008 platt. 2/3 von den Autos die überhaupt noch auf dem europäischen Markt abgesetzt werden, kommen in Firmenfuhrparks und Leasing-geschäften unter, das ist kein wirklicher Absatz. Die Bremer “Kompetenzen” sind also nicht für Bremen, sondern für den Auto-bau irgendwo anders gedacht.
Also “unendlicher Absatz in China”?!
Die chinesische Wirtschaft ist noch stärker als die deutsche Wirtschaft auf Export aus. China hatte die BRD bereits 2009 als “Exportweltmeister” überholt. In diesem Zuge hat sich auch eine chinesische Schicht von Profiteuren gebildet, die sich natürlich auch teuere Autos, wie von Mercedes leisten können.
Das Problem ist dabei aber, dass “Exportboom” nur funktioniert, wenn die Binnenmärkte in anderen Ländern zu schwach sind, um gegen die Exportprodukte anzukommen und daher sogar gezielt vom jeweiligen Exportland kaputt gemacht werden, um dort die eigenen Produkte zu vermarkten. Außerdem muss die eigene Währung am Beispiel China schwach gehalten werden, damit der Export billig bleibt. Das Kapital, das beim “Exportboom” herausspringt, muss jedoch dann woanders angelegt werden, damit es nicht ebenfalls abgewertet wird (zum Beispiel in Euro Devisen, die momentan den Bach runter gehen) und für den eigenen Markt gibt es eine Inflation.
Alles zusammen kann nicht auf Dauer gut gehen: Da sich die meisten europäischen Binnenmärkte inzwischen gar nicht mehr halten können schrumpft jetzt auch der Absatz chinesischer Exportprodukte. Der chinesische Wirtschaftswachstum fiel schon im
4. Quartal 2011 auf 8,9 % ab. Für 2012 wird laut Finanzexperten eine weitere Schwächung erwartet.
Wenn alles so weitergeht…
dann wird der Absatzmarkt China genauso einbrechen, wie die europäischen Märkte. Um auf die neue Daimler Losung “wir bauen die Autos dort wo sie gebraucht werden” zurückzukommen: das ist das Programm für einen weltweiten “Feldzug” des Konzerns. Kein Standort ist “sicher”, der Daimler Konzern wird umher ziehen und verbrannte Erde hinterlassen, wo kein Verkauf mehr stattfindet. Das bedeutet: mit den HPV Maßnahmen und auch mit “Investitionen” von 1 Milliarde Euros wird das Werk nur für diesen Feldzug “fit” gemacht.
Profitieren tut davon nur das Kapital und nicht wir KollegInnen!
Gegen die ersten Maßnahmen gab es Protest von uns KollegInnen. In Halle 8 / Lackierung und vor kurzem auch in der Montage Halle 9 wurde mit ein paar hundert KollegInnen die Arbeit niedergelegt. Wir zogen ins Verwaltungsgebäude und forderten vom Werkleiter eine Stellungnahme. Vor allem die Montage KollegInnen wurden von ihm sehr harsch abgefertigt, als es um eine geplante Umbaumaßnahme mit Blockpause im Winter ging. Er wüsste nicht, was die überhaupt wollen, die Verhandlungen würden mit dem Betriebsrat stattfinden. Genau diese Verhandlungen wurden daraufhin einseitig von der Werkleitung abgebrochen, weshalb der Betriebsrat nun davor bangt, dass das Thema vor eine richterliche Einigungsstelle geht.
Verhandlung=Profitlogik=Scheiße..
Wenn wir darauf warten, dass irgendwer für uns verhandelt, sind wir verloren. Verhandelt werden können ja nur die Bedingungen von dem “Feldzug” des Daimler Konzerns, von dem wir nichts haben. Wir müssen aufhören, den Scheiß zu glauben, dass es dabei auch um “uns” gehen würde. Es geht um ein Wirtschaftssystem, von dem nur eine Handvoll Menschen profitieren, die solche sinnlosen “Feldzüge” und Exportkriege führen, um sich selbst zu retten.
Unsere kleinen Protestaktionen wurden vom Werkleiter zwar herunter gespielt und haben der anderen Seite kaum Stückzahlen gekostet. Es ist aber ein Anfang. Und wenn der Feldzug weltweit läuft, müssen wir am besten auch überall handeln. Wir müssen die Maschine stoppen und nicht um die Art des Getriebes verhandeln!
http://bremerfeierabend.blogsport.eu/2012/03/12/daimler-macht-stress/
B.I.Bronsteyn - 14. Mär, 15:08